Es kommt für eine Eingliederung in den Betrieb nicht darauf an, ob die Matrix-Manager dem disziplinarischen Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen.
- A.
Problemstellung
Das LArbG Berlin-Brandenburg hatte die praxisrelevante Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Matrixmanager in ihnen „fremde“ Betriebe eingegliedert werden – mit der Folge, dass dortige Betriebsräte zu der damit verbundenen Einstellung nach § 99 BetrVG zu beteiligen sind. Im Ergebnis hat das LArbG Berlin-Brandenburg – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG – festgestellt, dass Matrixmanager bereits durch die bloße Übernahme fachlicher Führungsleistungen in den Betrieb eingegliedert sein sollen, ohne dass es auf deren Weisungsabhängigkeit gegenüber Führungskräften des ihnen fremden Betriebs ankommt.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beteiligten stritten um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG hinsichtlich der Tätigkeit einer im Ausland beschäftigten Matrixmanagerin. Die Arbeitgeberin ist Teil einer internationalen Gruppe und beschäftigt an ihrem Standort in Hennigsdorf, in dem ein Betriebsrat gewählt worden ist, etwa 230 bis 270 Arbeitnehmer. Der Konzern ist in einer sog. Matrixstruktur organisiert. Die betroffene Matrixmanagerin verfügte über einen Arbeitsvertrag zu einer österreichischen Konzerngesellschaft und wurde aus ihrem österreichischen Dienstsitz heraus – und nicht in Hennigsdorf – tätig.
Matrixstrukturen sind dabei durch zwei zentrale Aspekte gekennzeichnet: Zum einen ist die Arbeitsorganisation von der gesellschaftsrechtlichen Struktur losgelöst, zum anderen wird das fachliche Weisungsrecht vom disziplinarischen Weisungsrecht des Arbeitgebers entkoppelt (vgl. LArbG Hannover, Urt. v. 24.07.2023 - 15 Sa 906/22).
Einige Arbeitnehmer des Standorts wurden sog. Matrixmanagern, also Führungskräften, die weder dort tätig waren noch mit der Arbeitgeberin einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatten und sogar im Ausland tätig waren, unterstellt. Dies geschah, ohne den Hennigsdorfer Betriebsrat zu beteiligen.
Der betroffenen Matrixmanagerin wurden – ohne Beteiligung des Betriebsrates – fünf Arbeitnehmer zugeordnet. Diese erteilte fachliche Arbeitsanweisungen, führte Zielvereinbarungsgespräche, genehmigte Urlaube und Schulungen. Sie war jedoch weder zur Erteilung von Abmahnungen oder zum Ausspruch von Kündigungen befugt. Die Matrixmanagerin selbst war keinen Führungskräften des Standorts in Hennigsdorf unterstellt.
Das ArbG Neuruppin wies die Anträge des Betriebsrates auf Aufhebung der Einstellung der Matrixmanagerin (§§ 99, 101 BetrVG) zurück. Die Matrixmanagerin sei nicht dergestalt in dem Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert, dass eine Beteiligung des Betriebsrates bei der Einstellung gemäß § 99 BetrVG hätte erfolgen müssen. Dementsprechend könne der Betriebsrat auch nicht die Aufhebung der Maßnahme verlangen.
Die gegen die Entscheidung gerichtete Beschwerde des Betriebsrates hatte vor dem LArbG Berlin-Brandenburg Erfolg.
Eine mitbestimmungspflichtige Einstellung könne bereits dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer, der bei einem ausländischen Unternehmen beschäftigt sei und dort seinen Dienstsitz habe, als fachlicher Vorgesetzter von Mitarbeitern eines deutschen Betriebs eingesetzt werde.
Für die hierbei erforderliche Eingliederung der Führungskraft sei es unerheblich, ob sie selbst dem (insbesondere disziplinarischen) Weisungsrecht der deutschen Arbeitgeberin unterliege. Es reiche – so das LArbG Berlin-Brandenburg – aus, dass die Führungskraft durch die Übernahme von Vorgesetztenaufgaben in die Weisungshierarchie der deutschen Arbeitgeberin integriert sei und diese Einbindung für den Betriebszweck eine wesentliche Rolle spiele. Dies gelte auch für im Ausland tätige Matrixmanager – unabhängig davon, in welchem qualitativen oder zeitlichen Umfang diese für den inländischen Betrieb tätig seien. Die ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführten personellen Maßnahmen, insbesondere in Form einer Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG, seien folglich gemäß § 101 BetrVG aufzuheben.
- C.
Kontext der Entscheidung
Die vorliegend besprochene Entscheidung fügt sich konsequent in die gefestigte Rechtsprechung des BAG zu § 99 BetrVG ein. Danach liegt eine zustimmungspflichtige Einstellung vor, wenn eine Person weisungsgebunden in den betrieblichen Ablauf eingegliedert wird, um gemeinsam mit der Belegschaft den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs zu fördern.
In diesem Sinne hat das BAG mehrfach betont, dass Matrixmanager in jedem Betrieb als eingegliedert gelten, in dem sie fachliche Vorgesetztenfunktionen gegenüber den dort tätigen Arbeitnehmern ausüben – sofern ihre Führungstätigkeit auch dem betrieblichen Zweck des jeweiligen Betriebs dient (vgl. BAG, Beschl. v. 12.06.2019 - 1 ABR 5/18; BAG, Beschl. v. 26.05.2021 - 7 ABR 17/20; BAG, Beschl. v. 14.06.2022 - 1 ABR 13/21). Die Instanzgerichte haben sich dieser Linie bislang angeschlossen (vgl. LArbG Stuttgart, Beschl. v. 14.03.2023 - 15 TaBV 1/22; LArbG Kiel, Beschl. v. 18.01.2022 - 2 TaBV 25/21).
Höchstrichterlich ungeklärt ist jedoch, ob diese Maßstäbe auch auf internationale Matrixstrukturen übertragbar sind, nämlich wenn Matrixmanager außerhalb Deutschlands agieren. Das LArbG Köln und das LArbG Bremen haben diese Frage bejaht (LArbG Köln, Beschl. v. 17.07.2020 - 9 TaBV 73/19; LArbG Bremen, Beschl. v. 02.05.2024 - 2 TaBV 2/23). Dieser Ansicht folgt nun auch das LArbG Berlin-Brandenburg.
Diese erweiterte Anwendung des Begriffs der „Einstellung“ ist aus arbeitsrechtlicher Sicht mit Vorsicht zu genießen. Denn das Territorialprinzip des BetrVG begrenzt dessen Anwendungsbereich grundsätzlich auf das Inland. Nur wenn die Tätigkeit im Ausland eine „Ausstrahlung“ des deutschen Betriebs darstellt, kommt eine Anwendung in Betracht. Voraussetzung hierfür ist eine hinreichend verfestigte betriebliche Verbindung in das Inland; ein bloß funktionaler Bezug reicht nicht aus (vgl. BAG, Urt. v. 24.05.2018 - 2 AZR 54/18). Bei der rechtlichen Bewertung ist daher nicht allein auf die Dienlichkeit der Tätigkeit (des Matrixmanagers im Ausland) für den deutschen Betrieb abzustellen.
Allerdings ist der hier besprochenen Entscheidung insoweit zuzugeben, dass die Tätigkeit der betroffenen Matrixmanagerin über bloße fachliche Weisungen deutlich hinausging. Sie genehmigte Urlaube, stimmte Überstunden ab und schloss Zielvereinbarungen – allesamt Maßnahmen mit erheblicher personalrechtlicher Relevanz. Diese weitreichende, nahezu arbeitgebergleiche „Einflussnahme“ kann – anders als bei einer schlichten fachlichen Koordination – durchaus ein stärkeres Gewicht bei der Frage nach der betrieblichen Eingliederung haben und muss bei der juristischen Bewertung entsprechend berücksichtigt werden.
- D.
Auswirkungen für die Praxis
Die betriebliche Praxis wird sich auf die von den Landesarbeitsgerichten vorgezeichnete Linie – zumindest bis auf Weiteres – einstellen müssen. Ob und inwieweit das BAG hiervon abweichen wird, ist derzeit offen und kann nicht mit Sicherheit prognostiziert werden.
Klar ist jedoch: In internationalen Matrixstrukturen sind die Mitbestimmungsrechte des deutschen Betriebsrats grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn Führungskräfte formal bei ausländischen Konzerngesellschaften angestellt sind. Dies gilt unabhängig von Dauer oder Intensität ihres Wirkens im Inland. Die Entscheidung des LArbG Berlin-Brandenburg stellt damit faktisch eine Hürde für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen der internationalen Konzernzentrale und deutschen Tochterunternehmen dar. Die (erforderliche) Einbindung des inländischen Betriebsrats kann Abstimmungsprozesse verlangsamen, insbesondere in agilen Strukturen, in denen Führung schnell und flexibel erfolgen muss. Im Ergebnis ein Standortnachteil, der durch eine extensive Auslegung und Anwendung der Vorschriften des BetrVG begründet wird.
Angesichts der besonderen Bedeutung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen hat das LArbG Berlin-Brandenburg die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diese ist inzwischen eingelegt worden und beim BAG unter dem Az. 1 ABR 18/25 anhängig.